Wieniawa Bed&Breakfast

„Kleines Hotel mit Kamin und Seele” – Geschichte des Hauses an der ulica Chrobrego 34

Im historischen Zentrum der Stadt Leszno ist an der ul. Chrobrego 34 ein sehr gemütliches B&B-Hotel für Touristen eröffnet worden, die die Atmosphäre vergangener Zeiten spüren möchten. Über Ereignisse, die sich in diesem Gebäude im Laufe der Jahrhunderte zugetragen haben, erzählt der alte Kamin, der einst das gesamte Haus beheizte und sein warmes Herz bildete, das wie das Leben seiner Bewohner pulsierte.

 

Die Geschichte dieses Gebäudes ist überaus vielfältig. Laut schriftlichen Quellen bildet es das älteste erhaltene Haus an dieser Straße. Ursprünglich war es als Haus Polnischer Prediger Teil eines Gebäudekomplexes, der von der religiösen Gemeinschaft der Böhmischen Brüder genutzt wurde. Auf einem Stadtplan von Leszno aus dem Jahr 1793, der nach dem letzten Großbrand der Stadt entstanden ist, ist dieses Gebäude dem Kirchplatz und mit der kürzeren Wand der Straße zugewandt, die damals ulica Kupiecka hieß. Diese Ausrichtung bestätigen auch aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammende Überreste der ältesten Fundamente im Bereich der Tonnengewölbe des Kellers.

 

Wahrscheinlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts ist das Haus erweitert worden, um es den neuen preußischen Bauvorschriften anzupassen. Diese sahen vor, Wohnhäuser in Form eines langgezogenen Rechteckes mit dem Dachfrist zur Straße zu errichten. Damals entstand das aus Ziegeln gemauerte, freistehende Gebäude, das sicherlich verputzt worden war, mit zwei Stockwerken, fünf Achsen und zwei sich gegenüberliegenden Flügeln mit einer Diele in der Mitte. Das hohe Krüppelwalmdach wurde im Fischgrätmuster mit Flachziegeln gedeckt. In seinem Innern gibt es zwei Dachgeschosse.

 

Das Gebäude ist bis in unsere Zeit in einem relativ guten Zustand erhalten geblieben. Bewahrt haben sich Teile der vorhergehenden Bauphasen. Die ältesten Fragmente befinden sich im Kellerbereich und sind auch im fächerförmig gestalteten Treppenhaus mit der sehr gut erhaltenen Barockbalustrade sowie in Form des großartigen, diesem Bauwerk seinen Charakter verleihenden, breiten Kamins zu erkennen. Dieser geht im Dachbereich in einen Schacht mit Arkade über und bildet einen Kielbogen.

 

Den neuesten Teil dieses Objekts stellen die aus dem 20. Jahrhundert stammende (vor 1915 entstandene) einachsige Verbindung mit dem Nachbarhaus sowie der zweistöckige Anbau auf der Nordseite mit einem Pultdach dar.

 

Im Laufe der Geschichte haben sich die Straßennamen und die Hausnummern geändert. Die frühere Comenius Straße heißt seit 1945 ulica Bolesława Chrobrego. Damals wurden auch die Hausnummern geändert, so dass das uns interessierende Objekt seitdem nicht mehr die Nummer 36, sondern die Nummer 34 trägt.

 

Die im laufenden Jahr sehr pedantisch und unter Beachtung aller Anforderungen der Denkmalschutzvorschriften durchgeführte Instandsetzung hat nicht nur das ursprüngliche Aussehen des Gebäudes wiederhergestellt, sondern ihm auch Vorzüge verliehen, die es zuvor nicht hatte. Die dezente farbliche Gestaltung der Fassade, bei der die architektonischen Elemente sowie die vertikale und horizontale Gliederung mit Friesen, Gesimsen und einfachen Putzverkleidungen erhalten geblieben ist, und der Austausch der Fenster gegen neue mit einer feineren Gliederung sowie die hervorragende Renovierung der Original-Eingangstür sorgen dafür, dass es sich um ein wirklich elegantes Gebäude handelt.

 

Seine wahrhaften Vorzüge können wir jedoch in seinem Innern finden. Im für Wohnzwecke ausgebauten Dachbereich ist ein großes Appartement mit einer außergewöhnlichen Raumaufteilung entstanden, das auch von einem Geist längst vergangener Zeiten erfüllt ist. Der Eingang zum Appartement „führt durch den Kamin“, genauer gesagt, einen Kielbogen, den man unbedingt berühren sollte, um das Glück zu erfahren, noch einmal hierher zurückkommen zu können. Beachtenswert sind auch die wunderschön restaurierten Elemente des alten Dachgebindes. Schon die Konstruktion an sich ist ein echtes Beispiel für vollkommene Zimmermannskunst. Die Freilegung des Original-Dachstuhls ist absolut bemerkenswert.

 

Die zeitgenössische Modernisierung, die zusätzliche Beleuchtung des Dachbereichs, die moderne Ausstattung der Zimmer, Badezimmer und des Appartements stören nicht den ästhetischen Eindruck, sondern heben vielmehr den Wohnkomfort im Hotel.

 

Namhafte Bewohner

Bereits die ersten Bewohner dieses Gebäudes im 17. Jahrhundert gehörten als Prediger zur intellektuellen Elite unserer Stadt. Das nahe gelegene Gymnasium der Böhmischen Brüder mit Johann Amos Comenius, seinem bekanntesten Rektor in den Jahren 1635-1642, wurde seinerzeit „neues Athen“ genannt.

 

Vielleicht wird man mit der Zeit die Namen der Bewohner des ursprünglichen Bauwerks feststellen können. So wurde 2010 in unserer Stadt plötzlich viel über den berühmtesten jüdischen Bürger von Leszno, Leo Baeck, gesprochen, der im 19. Jahrhundert in diesem damals bereits erweiterten Haus, das der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde gehörte, geboren worden ist und hier seine Kindheit verbracht hat. Die Wahl dieses Wohnorts durch seinen hochgebildeten Vater Samuel Baeck (1834-1912), einem Doktor der Philosophie und Schriftsteller und ab 1864 Rabbiner von Leszno, war sicherlich nicht ohne Bedeutung.

 

Diese angesehene Familie, die jahrhundertelang Rabbiner hervorgebracht hat, war aus Mähren nach Leszno gekommen. Sie wohnte zunächst an der Comenius Straße 12 und nach sechs Jahren, im August 1871, zog sie einige Häuser weiter in dieses Gebäude ein. Sie wohnte hier dreißig Jahre lang bis ins frühe 20. Jahrhundert. Später zogen die Baecks in ein Gebäude der jüdischen Sachs-Stiftung, das näher der Synagoge gelegen war, um. Dort, unter der heutigen Adresse ulica Narutowicza 5, befand sich auch eine Talmudschule.

 

Dies ist also das Geburtshaus von Leo Baeck, der hier am 23. Mai 1873 als siebtes von elf Kindern zur Welt gekommen ist, und zwar nach Friederike (geb. 1863), Ernestine (geb. 1865), Louise (geb. 1866), Anne (geb. 1867), Alfred (geb. 1869) – einem späteren Kaufmann und Roeschen (geb. 1871). Auf Leo (geb. 1873) folgten Salo (geb. 1875) – Arzt in Gliwice, Richard (geb. 1878) – Arzt in Leszno sowie die Zwillinge Karoline (geb. 1879) und Martin (geb.1879) – Zahnarzt in Leszno.

 

Leo Baeck wohnte hier bis zum Abitur, das er 1891 am Königlichen J. A. Comenius – Gymnasium ablegte (sein Vater war dort Religionslehrer und Schulinspektor).Anschließend studierte er Theologie und Philosophie in Wrocław, später in Berlin, wo er 1895 in Philosophie promovierte. Bevor er mit seiner intellektuellen Eroberung der Welt begann, hat er seine Familie in Leszno sicherlich noch einmal besucht, aber sein weiteres Leben verbrachte er zunächst in Opole als Rabbiner in den Jahren 1897 - 1907 (zehn Jahre) und anschließend in Düsseldorf (fünf Jahre). Am längsten Rabbiner war er schließlich ab 1912 in der deutschen Hauptstadt Berlin (30 Jahre). Nach seinen tragischen Erfahrungen während des Krieges ging er nach London, wo er 1956 verstarb und auf dem jüdischen Friedhof in Golders Green bestattet worden ist.

 

Dieser herausragende Intellektuelle, Philosoph und Theologe, der ein progressives Judentum befürwortete, fand nicht nur bei Juden, sondern auch Christen Anerkennung. Nach dem Krieg wurden wissenschaftliche Institute in New York, London und Jerusalem sowie auch ein Asteroid nach ihm benannt.

 

Das Elternhaus von Leo Baeck befindet sich an der für Touristen ausgewiesenen Route „Königliches Leszno“. Andenken an die Familie werden im örtlichen Museum aufbewahrt.2010 hat am Haus an der ulica Chrobrego 34 die aus den Vereinigten Staaten angereiste Enkelin Leo Baecks, Marianne C. Dreyfus, eine Gedenktafel enthüllt. Gesegnet wurde sie von ihrer Schwiegertochter Rabba Ellen M. Weinberg-Dreyfus, der Vorsitzenden der Zentralkonferenz der Amerikanischen Rabbiner, in Begleitung des deutschen Rabbiners Prof. Walter Homolka. Rabbiner Homolka ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Chairman der Leo Baeck Foundation und Vorstandsmitglied der Weltunion für Progressives Judentum. Bekannt ist er auch für sein starkes Engagement für den jüdisch-christlichen Dialog, womit er das Werk Leo Baecks fortsetzt.

 

Baruch Ata Haszem Elokeinu melech haolam, szehechejanu wekimanu wehigjanu lazman haze! Amen

(Gelobt seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der uns ließ und uns erhalten hat und uns diese Zeit erreichen ließ! Amen). Dieser Segen, „Szehechejanu” genannt, wird immer dann geäußert, wenn wir etwas Neues, Gutes, Schönes erfahren, etwas, das in uns Freude weckt, so wie die Freude über diesen Ort.

 

Erstellt von: Kustos Mirosława Maćkowiak

 

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